„Wer über Rechte schreibt, muss auch über Linke schreiben“, „Mit welchen Konsequenzen müssen Künstler:innen in Zeiten von Cancel Culture rechnen, nachdem sie von Euch als rechts dargestellt werden“, „(Neu)Rechte Kunst gibt es nicht“, – die Vorbehalte gegenüber einer Kunstgeschichte, die sich mit dem Verhältnis von Kunst, Ästhetik und der Neuen Rechten beschäftigt, sind groß und ausgesprochen konservativ. Sie sind konservativ, weil sie sich auf allerlei überholte Argumentationen stützen, um die kunsthistorische Erforschung neurechter Praktiken zu verhindern und zu diskreditieren: Sie behaupten eine Gleichsetzung von links und rechts, machen rechte Künstler:innen präventiv zu Opfern einer woken Kunstgeschichte, beziehen sich dazu auf eine scheinbar alternativlose biographische Kunstgeschichtsschreibung und berufen sich auf einen idealisierenden und verblendenden Kunstbegriff, der Kunst als etwas per se Gutes versteht und alle ‚Kunst‘, die nicht gut ist, kurzerhand zur Nicht-Kunst degradiert. Eine weitere und für uns erschütternde Gemeinsamkeit aller Argumentationen ist, dass sie die akute Bedrohung von rechts verkennen und damit von einer kategorisch menschenfeindlichen faschistischen Bewegung, in der und für die, wie gerade die deutsche Geschichte besonders gut zeigt, Kunst eine zentrale Rolle spielen kann. Und welche Disziplin sollte die Kunst, künstlerische Praxis und künstlerische Theorie der Neuen Rechten untersuchen, wenn nicht die Kunstgeschichte?
Mit dieser Publikationsplattform möchten wir – ausgehend von einem politischen Kunstbegriff, einer akuten Bedrohung von rechts, die sich längst in der kulturellen und künstlerischen Praxis äußert und dem Selbstverständnis einer antifaschistischen Kunstgeschichte – die gemeinsame Erforschung des Verhältnisses von Kunst und Neuer Rechter anregen. Wir denken, dass es viele Perspektiven und Austausch benötigt, um diese Verhältnisse in ihrer Breite und Tiefe zu bestimmen, und verstehen sowohl unsere Forschung als auch die Publikationsplattform Left Art Histories als einen Hub, um anzuknüpfen, weiterzudenken, zu korrigieren, zu ergänzen und zu vernetzen. Das betrifft die Felder, Methoden und Perspektiven, aber auch den transnationalen Blick, der explizit diejenigen autoritären und (post-)faschistisch regierten ‚Demokratien‘ von Ungarn über Italien bis zur Türkei umfassen soll, in denen rechte künstlerische und kulturelle Praktiken sowie Kulturpolitiken längst implementiert sind, weil er Einblicke in Verhältnisse gewähren kann, die sich anderswo ebenso abzuzeichnen beginnen.
Wo ansetzen
Ausgangspunkt unseres Interesses waren die Einmischung der AfD in Kulturpolitik auf kommunaler Ebene, der theoretische Bezug der Neuen Rechten auf kulturhegemoniale Strategien und die Frage, inwieweit sie bereits für Kunst gelten. Wir fragten uns daraufhin nach möglichen Konturen neurechter Kunst und nach den nötigen Methoden, um sie zu identifizieren, und trafen auf die eklatante Leerstelle in unserer Disziplin, der Kunstgeschichte, die, wie uns nach und nach klar wurde, keine schlüssige Theorie entwickelt hat, was faschistische und allgemeiner rechte Kunst ist und darüber hinaus den Diskurs bis heute zurückdrängt, wie wir bei unserer eigenen Forschung mehrfach erfahren haben. Alle diese Themen werden bislang vor allem auf feuilletonistischer Ebene und nur vereinzelt in der Kunstgeschichte verhandelt. Sie bieten sich deshalb für tiefergehende Untersuchungen an und eröffnen zahlreiche Felder. Im Fall der Kulturpolitik neurechter sowie rechtskonservativer Parteien ist zu fragen: Wie lässt sich die Kulturpolitik kategorisieren – ist es, wie bei den historischen Faschisten, in erster Linie eine Kulturpolitik der Negation, die sich gegen bestimmte Kunst richtet, oder zeichnet sich eine eigene Agenda ab? Verbleibt diese Agenda noch auf theoretischer Ebene oder hat sie sich bereits in die Praxis abgesetzt? Welchen Einfluss hat neurechte Kulturpolitik auf die Kunst, auf ihre Produktion, Präsentation und ihre Vermittlung, wenn sie zum Beispiel von Fördergeldern und Zuschüssen öffentlicher Mittel abhängig ist? Wo setzt sich das italienische Modell durch, vor allem ‚italienische Kunst‘ zu subventionieren? Und wo zeigen sich Versuche der Zentralisierung, wie in Ungarn, wo die Akademie über alle nationalen Kulturinstitutionen waltet? Sind die offenkundigen politischen Arenen die Orte, an denen neurechte Parteien ihre kulturhegemonialen Theorien bereits in eine Praxis überführen konnten? Oder schlagen sich neurechte Politiken viel eher gezielt in künstlerischen Praktiken nieder, in denen sie nicht auf Anhieb als neurechts identifiziert werden können? Was kann solch eine künstlerische Praxis umfassen: Handelt es sich um Kunstwerke, die rechte Inhalte verarbeiten, in rechten Kontexten entstehen oder in rechten Kontexten als rechts verortet werden? Um Werke, die in einer faschistischen Kunsttradition stehen und sich durch Kontinuitäten auszeichnen? Oder um Werke, die mit Verharmlosungen arbeiten? Umfasst künstlerische Praxis auch Aktivitäten über die Kunstproduktion hinaus, zum Beispiel Ausstellungsformate, Reposts durch Social Media Accounts, die Arbeit als Netzwerker:innen und Multiplikator:innen, etwa durch die Beteiligung bei neurechten Stiftungen, Parteinahmen, Infrastrukturen und Ästhetiken? Führt die Förderung von Ausstellungen durch Player wie Paypal und damit durch den rechten Oligarchen Peter Thiel zu einer Normalisierung rechter oder gar faschistischer Infrastrukturen? Welche Rolle spielt hier die Theorie – gibt es sie überhaupt, die neurechte künstlerische Praxis mit kulturhegemonialer Stärke, oder handelt es sich nur um ein rechtes Narrativ, das keine Entsprechung in der Praxis hat? Wie transnational sind diese theoretischen und praktischen Positionen?
Viele dieser Fragen berühren auch die Erforschung neurechter Kunst, die nicht auf Anhieb als solche bestimmbar ist, weil sie nicht von sich als rechts bekennenden Künstler:innen stammt oder eine neue rechte Ästhetik repräsentiert, die noch nicht als solche kategorisiert wurde. Wir haben neurechte Kunst beispielsweise bisher stets auf materialistischer Ebene analysiert: Kunst, die in einem konkreten soziopolitischen Raum – in den Produktionsverhältnissen – entsteht, muss, argumentieren wir, auch in diesem Kontext analysiert werden, so dass deutschtümelige Katastrophenszenarien und Performances mit Cyber Trucks in der Gegenwart unmittelbar politisch werden, weil sie neurechte Inhalte, Techniken und Ästhetiken aufgreifen. Sie mögen nicht automatisch rechts sein; wie sie mit den Inhalten, Techniken und Ästhetiken umgehen, zeigt dann, wie sie zur neurechten Politik stehen.
Unsere Forschung hat bislang versucht, den Bereich der bildenden Kunst im Kontext neurechter Politik zu analysieren, wenngleich der digitale Raum zum zentralen Ort für neurechte ästhetische Praxis geworden ist: mit Memes, Bildern, Videos und natürlich Social Media-Kanälen allgemein wird die kulturelle Praxis hier zum Austragungsort (neu)rechter Ideen und zur Selbststilisierung (neu)rechter Akteur:innen. Dabei zeigt sich sehr deutlich, wie sich (neu)rechte Ästhetiken verselbstständigen und losgelöst von ihren Urheber:innen wirken können und noch mehr: Rechte Ästhetik muss nicht von rechten Akteur:innen stammen, sondern kann innerhalb digitaler Multiplikationsprozesse, politischer Dynamiken wie faschistoider Misogynie und Transfeindlichkeit sowie Dekontextualisierungen entwickelt werden. Deshalb stellt die Auseinandersetzung mit (neu)rechten Inhalten und ihrer Reproduktion im digitalen Raum auch die Frage nach den technischen Medien und deren Politik. Erst durch Infrastrukturen wie Social Media können solche Ästhetiken entstehen und für die Massenkommunikation vervielfältigt werden, und da es sich zumeist um kapitalistische Unternehmen mit Profitinteresse und, wie es sich derzeit zeigt, in Hand rechter, faschistischer Interessensvertreter:innen handelt, werden die Ästhetiken auch durch die Politik der Technik mitbestimmt, etwa durch den Einsatz von Algorithmen, die konkrete Inhalte stärker vervielfältigen als andere. Dies gilt unseres Erachtens aber auch für klassische Massenmedien wie Zeitungen und Zeitschriften, die ebenfalls keine neutralen Organe sind, sondern an der Verbreitung (neu)rechter Politik mitwirken.
Zugleich scheint es uns wichtig, die Social Media-Accounts und die Publikationsorgane der Neuen Rechten selbst zu untersuchen, um offenzulegen, welche Konzepte und Praktiken hier entwickelt werden. Für eine kunsthistorische Untersuchung drängt sich die Frage auf, inwieweit sich hier Konturen einer (neu)rechten Politik in oder mit Kunst und Ästhetik abzeichnen, die viel deutlicher rechts ist, als sich in der für die breite Öffentlichkeit bestimmten Medienpräsenz und Kulturpolitik zeigt. So beharren die Eheleute Kubitschek zwar darauf, keine Nationalsozialist:innen zu sein, schmücken ihr Wohnzimmer aber für Homestories mit den Lieblingskünstler:innen Adolf Hitlers. Somit spricht die Kubitschek’sche Inneneinrichtung eine viel deutlichere Sprache als das in altdeutschem Vokabular verpackte Wirrwarr: Es geht darum, den Faschismus, wie er in Deutschland in den 1930er und 1940er Jahren ausgeübt wurde, zu reaktivieren. Oder nicht?
Wieso forschen
Ein weiterer Vorwurf, der an uns gerichtet wurde, ist, dass wir durch unsere Forschung den Neuen Rechten in die Hände spielten, indem wir ihre Kunst trotz minderer Qualität hochhielten und ihnen theoretische Komplexitäten unterstellten oder gar erst lieferten, die sie nicht verdienten. Diesen Vorwurf halten wir aus verschiedenen Gründen für sehr problematisch. Erstens, weil wir uns fragen, was die Alternative ist – nicht darüber zu forschen? Zweitens, weil wir unsere Arbeit als Kunsthistoriker:innen nicht darin sehen, Werken durch unsere Forschung Qualität zuzuschreiben, sondern darin, die Bedeutung und Wirkung von Kunst zu untersuchen – auch dann, wenn wir sie nicht gut finden. Und drittens, weil wir denken, dass die Kunstgeschichte sich in diesem Fall nicht wiederholen sollte. Statt über die politischen Ereignisse zu schweigen, um sich nicht schmutzig zu machen und unbequemen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, – wie etwa, was es bedeutet, wenn in Armin Mohlers neurechtem Münchener Thinktank Kunsthistoriker ein- und ausgingen –, plädieren wir für eine kritische Auseinandersetzung und eine ebenso kritische Aufarbeitung der Verflechtungen von Kunst und Neuer Rechter zurück bis in die 1950er und 1960er Jahre, in denen die neurechte Politik entstand.
Auf Basis unserer bisherigen Forschungen können wir resümieren, dass der praxeologische Blick und die Untersuchung konkreter Fälle, Objekte und Praktiken dabei hilft, neurechte und die neue faschistische Politik besser zu verstehen und zu dekonstruieren – insbesondere dann, wenn sie nicht in die gängigen Raster passen. So sind wir der Meinung, dass die jahrzehntelange Rezeption der Kunst des historischen Faschismus in Ausstellungen, Popkultur und Wissenschaft dazu geführt hat, davon auszugehen, (neu)rechte sowie faschistische Kunst und Ästhetik müssten stets ein hermetisches Bild abgeben, in etwa so, wie die von Leni Riefenstahl gefilmten Parteitage der NSDAP. Doch gerade ein differenzierter Blick, der sich mit allen Formen und Ebenen der Kunstproduktion des historischen Faschismus beschäftigt, zeigt, dass die Kunstagenda heterogen und keinem einheitlichen Stil verhaftet war. Aus diesem Grund scheint es besonders irreführend, dieses Raster nun auf die Gegenwart anwenden zu wollen, um dann, wenn ein solcher rechter oder faschistischer Stil nicht auffindbar ist, zu schließen, es gäbe sie nicht, die (neu)rechte und faschistische Kunst und Ästhetik des 21. Jahrhunderts. Denn für die (neu)rechte und faschistische Kunst und Ästhetik der Gegenwart gilt, was auch für die Analyse der entsprechenden politischen Bewegungen gilt: Es gibt Parallelen, die sich aber, weil die Gegenwart, in der sich diese Bewegungen entwickeln und etablieren, eine andere ist, auf andere, eigene Weise zeigen. Der Blick zurück in die Geschichte ist keineswegs verkehrt, sollte jedoch nicht als Blaupause für eine Analyse der Gegenwart verwendet werden – auch deshalb nicht, weil genau dieser Blick zurück getrübt ist von Narrativen, die die Vergangenheit aus ihren Sichtweisen darlegen und dabei oft Verkürzungen in Kauf genommen haben.
Wie äußert sich also die Politik der Neuen Rechten oder gar ein neuer Faschismus in der Kunst? Wie viele weitere Geisteswissenschaftler:innen fragen auch wir uns oft, welche Bedeutung unsere Arbeit angesichts der Weltlage hat. Auch wenn wir uns einig sind, dass unsere Wissenschaft – leider – in viele der soziopolitischen Konflikte nicht direkt eingreifen kann, sind wir der Meinung, dass wir diese Konflikte und besonders die global erstarkte Rechte gerade als Geisteswissenschaftler:innen als einen Status quo verstehen müssen, in dem wir Wissenschaft betreiben, zu dem wir deshalb Stellung nehmen und gegen den wir gemeinsam mit aller Kraft anarbeiten müssen. Im akademischen Kontext, in dem unsere Forschung entstanden ist und auf den sie zurückwirken soll, muss damit auch die Situation unseres Forschens, allen voran an den Universitäten, in die Analyse einbezogen werden. Kunst und Kunstgeschichte werden nicht die Welt retten, aber wir denken, dass wir mit unserer Forschung dazu beitragen können, die Felder, Medien, Institutionen, Ästhetiken und (Infra-)Strukturen zu identifizieren, die an einer neurechten oder faschistischen Vormachtstellung mitwirken, und durch diese Untersuchung wesentlich zu verstehen helfen, wie neurechte und faschistische Politik funktioniert und Einzug in unsere Lebenswelt nimmt. Dies zu identifizieren, zu benennen und zu analysieren, halten wir für einen ersten zentralen Schritt hin zu einer Kunstgeschichte mit antifaschistischer Haltung. Gegen (neu)rechte Kräfte in und mit der Kunstgeschichte zu wirken, ist dann die konkrete antifaschistische Kunstgeschichte.