Leitfaden: Kritisches Lesen (neu)rechter Fachliteratur

In vielen kunsthistorischen Fachbibliotheken existiert bis heute Literatur mit (neu)rechten Inhalten und (neu)rechter Sprache ohne die notwendige Kontextualisierung. (Neu)rechte Sprache, Motive und Inhalte finden sich in Publikationen über nahezu alle Themen, Gattungen und Epochen, besonders in Werken der Nachkriegszeit, die auf den ersten Blick unverfänglich erscheinen könnten, gerade weil sie nach 1945 veröffentlich wurden. Schon 1970 kritisierte der Kunsthistoriker Martin Warnke diese Kontinuität in der Sprache kunsthistorischer (Fach-)Literatur. Auf dem 12. Kunsthistorikertag stellte er exemplarisch Reclam-Werkmonografien und Blaue Bücher vor, die faschistisches Gedankengut und Sprachformeln in die Nachkriegszeit weitertrugen. Sie stehen Studierenden der Kunstgeschichte auch heute noch in Bibliotheken zur Verfügung, ohne dass sie irgendwie gekennzeichnet wären, genauso wie beispielsweise die pseudonym veröffentlichten Schriften des neurechten Theoretikers Alain de Benoist.

Wie wir mit kunsthistorischer Literatur umgehen, wie wir sie rezipieren, verinnerlichen und weitertragen, ist heutzutage besonders wichtig, weil die Neue Rechte versucht, sich immer weiter in Kunst, Kultur und Wissenschaft zu etablieren. Der folgende kritische Leseleitfaden möchte den Umgang mit diesem Bestand an Fachliteratur problematisieren und eine kritische Lektüre fördern, indem er für rechte Sprachformeln, Codes, Motive und Denkmuster sensibilisiert. Außerdem stellt er ein „How-to“ zur antifaschistischen Recherche und Lektüre zur Verfügung sowie eine weiterführende Literaturliste.